RAW vs. JPG
Im privaten Umfeld versuche ich schon seit einigen Jahren Alle, welche die Möglichkeit dazu haben, von der Verwendung von RAW bei der Aufnahme von digitalen Fotos zu überzeugen, und hatte bereits auch einige Diskussionen zum Thema „RAW vs. JPG“ – höchste Zeit hier mal darzustellen warum für mich nur RAW in Frage kommt.
Was spricht gegen die Verwendung von RAW?
Ein geläufiges Argument welches ich laufend gegen die Verwendung von RAW höre lautet: „Ich habe keine Zeit die Fotos zu bearbeiten! Ich will ‚fertige‘ Fotos aus der Kamera, und sie nicht erst am PC ‚entwickeln‘ müssen“. Das hat einiges für sich – es ist nicht jedermanns Sache, sich stundenlang damit zu beschäftigen, aus den RAW Daten JPGs zu erstellen.
Dem halte ich jedoch zwei Dinge entgegen: Zum einen ist es leicht, sich z.B. in Adobe Lightroom Standardeinstellungen zu erstellen, über welche sämtliche importierte Fotos „in einem Rutsch“ konvertiert werden – in einer Qualität, die der von fertigen JPGs aus der Kamera sicher nichts nachsteht (eher im Gegenteil). Und zum anderen bieten (fast) alle Kameras die Möglichkeit, RAW Daten zusätzlich zu JPGs aufzunehmen. Ja, es benötigt mehr Speicherplatz – doch das sollte heutzutage nicht mehr ein wirklich großes Problem sein – der aktuelle Preis für eine 32GB Karte bewegt sich unter € 25. Selbst wenn man die RAW Daten vorerst nicht verwenden sollte – eines Tages wird man dankbar sein. Nämlich dann wenn einem bewusst wird wie viel mehr man aus einem Foto mit RAW Daten rausholen kann – was vielleicht bereits nach Lesen dieses Artikels der Fall ist…
Ein weiteres „Argument“, das jedoch eher selten von sogenannten „Puristen“ der Fotografie kommt: Ein guter Fotograf weiß, wie man ein richtiges Foto macht, das keine weitere Nachbearbeitung benötigt. Dieses „Argument“ – ich schreibe es bewusst unter Hochkomma – ist aus vielerlei Hinsicht grundfalsch. Warum, das wird nach und nach ebenfalls in diesem Artikel beleuchtet.
Was ist eigentlich „RAW“? JPG sind doch auch nur digitale Daten?
Unter RAW Daten versteht man streng genommen kein Foto, sondern eben wirklich nur 1:1 die Daten, welche der Sensor der Kamera liefert. Diese liegen meist in mit einer Farbtiefe von 14 oder 16 bit/Kanal vor, was einen der wichtigsten Vorteile darstellt – mehr dazu etwas später. Ein JPG aus der Kamera ist hingegen bereits die „Interpretation“ dieser Daten, und eben diese „Interpretation“ bzw. Umwandlung der Daten ist nicht nur von Kamera zu Kamera grundverschieden, sondern kann sogar mit ein und derselben Kamera unterschiedlich sein: Bei Canon heißt das z.B. „Picture Style“ – je nach Einstellung erhält man unterschiedliche Ergebnisse ein und derselben Aufnahme – mal etwas kühler, mal etwas wärmer, mal etwas schärfer usw. Ein JPG direkt aus der Kamera ist also niemals die „absolute Wahrheit“ – der Prozessor in der Kamera ist auch nichts anderes, als ein kleiner Computer, welcher die Daten des Sensors interpretiert, und in ein Foto umwandelt. Bei einer Aufnahme in RAW, und der Erstellung von JPGs später am PC, überlässt man diese Aufgabe nicht der Kamera (mit den Algorithmen, die der Programmierer des Kamerachips implementiert hat), sondern führt diese Konvertierung selbst durch. Und auch wenn es im ersten Moment unlogisch klingt (die Hersteller der Kamera sollten doch am besten wissen, wie man die Daten des Sensors optimal interpretiert?) führt das in der Regel zu besseren Ergebnissen.
Viel Theorie, das überzeugt mich noch nicht!
Kommen wir zu einigen praktischen Beispielen, um die Vorteile der Verwendung von RAW deutlich zu machen!
Grundsätzlich kann natürlich auch ein JPG nachträglich am Computer bearbeitet, also z.B. bei Unterbelichtung ein wenig aufgehellt werden. Hier wird dann meist das (völlig korrekte) Gegenargument gebracht, dass dies bei JPGs nicht verlustfrei geschehen kann – da nicht die „Rohdaten“ einfach anders in ein JPG umgewandelt werden, sondern nur ein fertiges JPG vorliegt, welches nachträglich verändert werden muss. So richtig dieses Argument auch ist – das RAW ist also quasi mit dem Negativ aus der analogen Fotografie vergleichbar, von dem man immer wieder neue (und über auch bereits im analogen Labor bekannte Techniken wie z.B. „Abwedeln“ unterschiedliche, also „nachbearbeitete“) Abzüge erstellen kann – so wenig überzeugend habe ich es selbst früher offen gesagt immer empfunden, denn von einem JPG kann man ja leicht Kopien machen, und sich somit immer ein unbearbeitetes „Masterfile“ bewahren.
Ich möchte daher auf ein aus meiner Sicht viel gewichtigeres Argument eingehen: Die „Ausarbeitung“ eines RAWs bietet erheblich mehr Möglichkeiten, als die nachträgliche Bearbeitung eines JPGs!
Die drei Grundeinstellungen der Kamera – Blende, Belichtungszeit und ISO – und die daraus resultierenden Eigenschaften der Aufnahme wie Schärfentiefe können freilich auch in einem RAW nicht nachträglich geändert werden. Was hingegen nachträglich bestimmt werden kann – und das wirklich vollkommen verlustfrei, also ohne die Daten irgendwie „verbiegen“ zu müssen – ist die Farbtemperatur (in Kelvin). Allein das für sich ist ein enormer Vorteil – Graukarte vergessen, kein neutraler Ton in Sicht? Kein Problem, die Farbtemperatur wird einfach im Zuge der „digitalen Entwicklung“ am PC bestimmt!
Die Belichtung der Aufnahme kann freilich auch in einem RAW nicht einfach beliebig nachträglich verändert werden – doch die RAW Daten enthalten viel mehr „Potential“ für eine nachträgliche Korrektur. So sind +/- 1 1/2 Blendenstufen meist ohne sichtbare negative Auswirkungen auf Höhen / Tiefen in der Aufnahme möglich. Theoretisch sind bis zu +/- 4 Blendenstufen möglich, das geht dann allerdings nicht mehr ohne Auswirkungen auf der jeweiligen Gegenseite der Korrektur ab (die man jedoch wiederum durch eine partielle, also nur auf den betroffenen Bildteil angewandte Gegenkorrektur zumindest teilweise ausgleichen kann).
Nun kann man hier natürlich einwenden, dass die Aufnahme ja schlichtweg falsch belichtet war, und ein guter Fotograf das bereits bei der Aufnahme verhindert hätte. Für dieses bewusst plakativ extrem gehaltene Beispiel stimmt das natürlich, doch es gibt extreme Lichtsituationen in welchen es schlichtweg unmöglich ist, den gesamten Kontrastumfang mit einer einzigen Aufnahme einzufangen – was nicht an den Fähigkeiten des Fotografen liegt, sondern an der Limitierung der aktuellen technischen Möglichkeiten. In solchen Fällen hilft die Verwendung von RAWs den Kontrast der Aufahmen nachträglich zu mildern – nichts anderes ist auch in o.a. Beispiel dargestellt.
Hier ein weiteres Beispiel, eine Gegenlichtaufnahme aufgenommen mit einer Olympus XZ-1, die ebenfalls RAW Daten speichern kann. Zuerst wieder das JPG unverändert aus der Kamera:
Was hätte man hier bereits bei der Aufnahme dagegen tun können? Nun, z.B. einen Grauverlauffilter einsetzen. Doch auch hier kommen die „Puristen“ ins Schleudern: Ist denn der Einsatz eines Filters noch „echt“ und „unverfälscht“? Abgesehen davon dunkelt ein solcher Filter den gesamten oberen Bereich ab, während man mit der Software nachträglich gezielt nur die hellen Bereiche abdunkeln kann…
Und es geht weiter!
Zu guter Letzt ein weiterer enormer Vorteil: Softwareanbieter wie Adobe, Phase One oder DxO Optics – um nur einige zu nennen – stehen in intensivem Wettberwerb miteinander, und entwickeln die Routinen zur RAW-Daten Verarbeitung laufend weiter. So hat Adobe z.B. im Jahr 2010 einen großen Sprung nach vorne gemacht, und die Verarbeitung von RAW Daten (im Vergleich zur Vorgängerversion aus 2003) deutlich verbessert. Im Jahr 2012 kam dann nochmal eine massive Verbesserung vor allem bei der Darstellung feinster Details. Bedeutet in der Praxis: Plötzlich kann man aus alten RAW Daten, die vielleicht schon fast vergessen irgendwo auf der Festplatte schlummern, deutlich mehr rausholen, als es zum Zeitpunkt der Aufnahme möglich war!
Auch dazu ein konkretes Beispiel, hier eine Aufnahme wieder mit einer EOS 5D MkII – links die Verarbeitung mit Version 2003, rechts mit Version 2012 der Adobe RAW-Engine (ACR), diesmal als 100% Crop:
Deutlich zu sehen wie sowohl im Schattenbereich, als auch generell in allen Strukturen mehr Details in der aktuellen Version herausgearbeitet wurden.
Fazit
Letztlich muss jeder für sich selbst entscheiden, ob sich der „Aufwand“ lohnt – ich hoffe aber dass ich mit diesen Beispielen die Vorteile der Verwendung von RAW klarmachen konnte! Da PhotoArtPro seit einiger Zeit ja auch Druckaufträge für perfekte Pigmentprints entgegennimmt, und wir dabei explizit auch RAW-Dateien verarbeiten (was bei großen Druckdienstleistern nicht angeboten wird!) hoffe ich dass ich möglichst Viele überzeugen konnte, und einige davon vielleicht auch mal eine ihrer Aufnahmen bei uns in einen Print verwandeln lassen wollen, bei dem wirklich das Beste aus den Daten rausgeholt wird!
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